§ 10 Absatz 1 Satz 4 PartG-Regelung praktikabel


Verlust der Parteienmitgliedschaft wegen Freiheitsstrafe
Regelung hat den Zweck, "den Einfluss von Personen, die erheblich straffällig geworden sind, auf die politische Willensbildung innerhalb einer Partei und durch die Partei zu beschränken"


(13.07.11) - Der "Verlust der Parteienmitgliedschaft wegen Freiheitsstrafe" ist Thema der Antwort der Bundesregierung (17/6203) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/5975). Darin verweisen die Abgeordneten darauf, dass das Parteiengesetz die Regelung enthalte, "dass Personen automatisch die Mitgliedschaft in einer politischen Partei verlieren, wenn sie wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden".

Wie die Regierung in ihrer Antwort erläutert, hat diese Regelung den Zweck, "den Einfluss von Personen, die erheblich straffällig geworden sind, auf die politische Willensbildung innerhalb einer Partei und durch die Partei zu beschränken".

In ihren Vorbemerkungen stellen die Fragesteller fest:
Das Parteiengesetz (PartG) enthält in § 10 Absatz 1 Satz 4 die Regelung, dass Personen automatisch die Mitgliedschaft in einer politischen Partei verlieren, wenn sie wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden. Ebenso ist es solchen Personen nicht erlaubt, einer Partei beizutreten. Dabei ist es unerheblich, ob die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

Wörtlich heißt es in der Regelung: "Personen, die infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder das Wahlrecht nicht besitzen, können nicht Mitglieder einer Partei sein." Nach § 45 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs verliert man seine Wählbarkeit bei Verurteilung wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr.

Historisch betrachtet entstammt die Regelung des § 10 Absatz 1 Satz 4 PartG dem auf das mittelalterliche Rechtsempfinden zurückgehenden Ehrenstrafrecht. Der dahinterstehende Gedanke lautete, dass sich durch eine kriminelle Tat zugleich die politische Unwürdigkeit des Täters zeige und er damit nicht ehrbar genug etwa zur Ausübung politischer Ämter oder der Mitgliedschaft in einer Partei sei. Die Ehrenstrafe war damit eine Form des "bürgerlichen Todes".

Mit der großen Strafrechtsreform der 50er- und 60er-Jahre sollte das Ehrenstrafrecht als resozialisierungsfeindlich überwunden werden, da die aus der erlittenen Demütigung folgende Verbitterung eines Verurteilten der Gesellschaft mehr schaden als nützen würde.

Eine Begründung für die Regelung des § 10 Absatz 1 Satz 4 PartG lautet, dass nur derjenige Parteimitglied sein soll, der auch tatsächlich in ein öffentliches Amt gewählt werden kann. Diese Argumentation übersieht, dass zum einem eine Mehrzahl der lediglich eingeschriebenen Parteimitglieder gar keine Ambitionen auf öffentliche Ämter haben und zum anderen das Parteiengesetz auch die Mitgliedschaft Minderjähriger und Nichtdeutscher in Parteien gestattet, die gleichfalls nicht in ein öffentliches Amt gewählt werden können. Zudem definiert das Grundgesetz in Artikel 21 die Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes als primäre Aufgabe der Parteien. Eine solche Mitwirkung an der Willensbildung kann durch Mitglieder von Parteien auch in Justizvollzugsanstalten (JVA) stattfinden.

Die Regelung des § 10 Absatz 1 Satz 4 PartG erscheint nicht praktikabel, da Parteien in der Regel nicht erfahren, ob eines ihrer Mitglieder zu einer Haftstrafe verurteilt wird oder sich ein Eintrittswilliger im Strafvollzug befindet. Obwohl die Mitgliedschaft des Verurteilten automatisch per Gesetz erlischt, werden die Betroffenen in der Masse der Fälle weiterhin als Parteimitglieder behandelt. Das heißt, ihr Mitgliedsbeitrag wird widerrechtlich weiter eingezogen und sie erhalten weiterhin Einladungen zu Parteiveranstaltungen, auf denen sie zumindest theoretisch ihr Stimmrecht ausüben könnten.

Aus Unkenntnis oder bewusster Missachtung der Regelung des § 10 Absatz 1 Satz 4 PartG unterhalten Parteien in einigen Fällen sogar bewusst Kontakte zu Inhaftierten, die sie als Mitglieder behandeln. So hatten Die Grünen in den 80er- und 90er- Jahren "informelle" Ortsverbände in bayerischen JVA, die über Delegierte ihr Stimmrecht bei Parteiveranstaltungen wahrnahmen (Jan Oelbermann: Automatischer Verlust der Parteimitgliedschaft für verurteilte Kriminelle – Sinn und Unsinn einer solchen Regelung, Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung MIP 2011, 17. Jg., S. 153 bis 155)
(Deutsche Bundesregierung: ra)


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